An einen Einbauherd

von th

Adee Pisskiste! Schamanismus – modern

Vor Jahren sah ich einen kleinen Filmbericht über einen Schamanen, der sich von einem Baum verabschiedete. Er kniete vor dem Stumpf des gefällten Baumes, zündete Räucherkerzen an, legte seine flachen Hände auf die verbliebene Baumscheibe, dankte und verabschiedete den kläglichen Rest.

Ich kenne mich mit Schamanismus überhaupt nicht aus – aber das Zeremoniell hat mich nachhaltig beeindruckt. Seitdem bedanke ich mich bei allen möglichen Sachen. Ein Baum, ein Tier ist nach gültiger Rechtsprechung nur eine Sache und hat keine Rechte - was eigentlich mehr als bedenklich ist. Seit diesem Erleben bedanke ich mich ständig bei Sachen: Pflücke ich Zwetschgen, Äpfel, sammele Walnüsse auf, usw. so bedanke ich mich. In diesem Fall bei Bäumen. Fälle ich einen Baum lege ich ihm vorher die Hände auf, murmele Dankesworte und verabschiede ihn. Nun gut, das ist nach geltender Rechtsprechung etwas spinnert jedoch nicht verboten.

Aber verabschiedet man auch einen Einbau-Backofen namens Seppelfricke? Ich habe es gemacht. Er hat mir 25 Jahre treu gedient, mit seinen roten Dioden verlässlich Restwärme angezeigt und einen leckeren Innenpelz im Backraum, an den Blechen und Töpfen angelegt. Diesen konnte man noch auskochen, falls der Kühlschrank einmal leer war.
Seppelfricke war aber zuletzt doch sehr altersschwach. Seine Knöppe wackelten im Edelstahl-Gebiss und seine Temperaturkontrolle der vorgewählten Koch-und Backtemperaturen waren mehr als inkontinent. Eigentlich heißt Seppelfricke aber „Pisskiste“ (PK1). Sie wurde für alles schuldig gesprochen, was an einem Herd eigentlich schief laufen kann:
Hatte sie Gemüse, Hülsenfrüchte und Tiere zu reinem, schwarzen Kohlenstoff reduziert, folgte  immer eine freundliche, aber bestimmte, humane Ermahnung: „Pisskiste, wie lange kennen wir uns jetzt schon?“. Pisskiste hat aber, glaube ich, nie mitgezählt. Ihre einstmals blanken Edelstahl-Wangen wurden einfach immer faltiger und matter.

Gestern kam PK 2, nur ein paar Jahre alt, in einer Schubkarre herangerollt. Ein Jungspund, der noch nicht einmal Patina angelegt hat. Ich verabschiedete mich von Pisskiste, legte meine Handflächen auf das noch restwarme Ceranfeld, murmelte eine schamanische Formel und dankte, löste ein paar fettige Schrauben, trennte Pisskiste aus ihrem, jahrzehntealten, Spanplatten-Gefängnis und wie ein AKW vom Netz. Genau in diesem Moment fiel ihre Glastür heraus und zersprang in tausend kleine Splitter. Pisskiste hatte losgelassen – die Jahre währende Energie war aus ihr gewichen.

Siemens (PK2) hat ein leeres Gehäuse übernommen und mit neuer Glut gefüllt. Danke!

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