Kabelsalat
von th
Kabelsalat hat ganzjährig Saison und kann laufend geerntet werden. Dazu muss man erstmal krabbeln, denn er wird vorrangig unter Schreibtischen, Kommoden und hinter Regalen angebaut. Lichtbedürftig ist er nicht und sollte nicht gegossen werden. Mittels Mehrfachsteckdosen, Kupplungen und Adaptern können unzählige Ableger gebildet werden, die verlässlich neu austreiben. Die Ernte erfolgt zweckmäßig mit einem isolierten Seitenschneider. Am besten gleich ganze Stränge zusammen schneiden – dann springt die Sicherung raus und es kann nichts mehr passieren. Ein Freiland-oder Gartenanbau wird nicht empfohlen: Ständig hat man Süd-Ost-Europäische Erntehelfer im Garten.
Die Zubereitung ist denkbar einfach: Waschen, putzen und verkohlte Teile ausschneiden, in mundgerechte Stücke teilen und mittels einer Salatschleuder entnässen. Sonst droht Kurzschlussgefahr. Hinsichtlich der Tunke gibt es unendliche Möglichkeiten. Ganz klassisch mit 96%iger Essigsäure und 12 Jahre gereiftem Altöl oder einer veganen Sahne mit Mayo, feinem dünnen grünen Telefonkabel als Kräuterauflage und Würze. Letztere presse ich mit einer ausgedienten Knoblauchpresse aus elektronischen Bauteilen. Wer Kabelsalat erntet, stößt unweigerlich auf anhängende elektronische Instrumente, deren Sinn und Zweck schon immer im Nebulösem wabert. Ich schlachte diese Gerätschaften kurzerhand und ernte den feinen Kräuterrasen im Inneren ab: Feinste, kunterbunte Käbelchen, appetitliche, runde Kondensatoren, knusprige Dioden, farbig geringelte Widerstände, die aussehen wie Regines Strümpfe.
Kondensatoren sorgen übrigens für eine dick gebundene Salat-Soße, Transistoren für prickelnde Schärfe, Widerstände emulieren mit nichts und schwimmen auf. Sieht putzig aus. Diese Farben-und Formenpracht ruft unweigerlich nach einem bunten Frühlings-Kabelsalat. Reste kann man bedenkenlos über Jahre trocken und dunkel aufbewahren. Wenn sie dann geschrumpft sind, einfach mit 1-3m Verlängerungskabel ergänzen. Puristen neigen eher zu reinem Kupfergenuss und isolieren den Kabelsalat vorher ab.
Das Auge isst mit. Die Tischdeko sollte monochrom ausfallen. Mein Vorschlag: Weiße Tischdecke mit lose aufgeworfenen, durchgeknallten Porzellan-Sicherungen (beides von Oma). Als Tischdecken wären auch Lieferkartons von Kabel 25.de möglich. Die bunte Haribo-Mischung auf den Tellern mit Staubmäusen bekrönen (von unter der Kommode).
Angeregt durch diese Vorspeise sinne ich nach Kreationen, die den Blick über meinen Tellerrand neue kulinarische Ufer streifen lassen. Jüngst belegte ich eine Kabelpizza, wurde aber aus der Küche geworfen. Gut, die Idee, den heiligen Pizzastein im Ofen bei 400 Grad mit Kontaktspray zu bedieseln, kam nicht gut an und stank zum Himmel. Gut angekommen ist jedoch mein Schukoladenkuchen-Kuchen mit Bananensteckern. Das Rezept für meinen apple-Kuchen mit 7 Gigabite-Arbeitsprozessor versuchen mir gerade die Südkoreaner abzukaufen. Für Freunde der bajuwarischen Küche folgende Anregung: Den neuen Glasfaseranschluss des Nachbarn unter Hochspannung setzen (ca. 3000 Volt), Kabel etwas abkühlen lassen und wie eine Weißwurst auszutscheln. Dazu passt süßer Senf und eine Britzel - sonst nichts.
Hier ein offenes Rezept für morgendliche Naschkatzen:
Smartphone-Gelee
etwa 4 gebrauchte, defekte, ungewaschene smartphones mit Akku in einem Liter Wasser für 13 Tage leise köcheln. Wasser gegebenenfalls nachgießen. Smartphones über ein Sieb abtropfen lassen und die ausgekochten Carcassen in der Bio-Tonne entsorgen. Sud mit einem Pfund Gelierzucker aufkochen und 1 Std. weiter köcheln. In leere Twist-Off -Honiggläser vom regionalen Imker abfüllen und im Keller endlagern, sprich vergessen.
Nach dem gleichen Rezept (ohne Gelierzucker) lässt sich auch ein Suppen-Fond herstellen. Für mehr Geschmack sorgen 2 mitgekochte alte, ungewaschene Computer-Tastaturen. Spiral-Kabel, bissfest gegart, nicht vergessen. Der Thermo-Mix leistet dabei gute Dienste.
Tipp: Alle meine Rezepte können mit einer Handvoll Bio-Elektronen, einer Prise seltener Erden und (B)Lötzinn aufgewertet werden. Mahlzeit!
PS.: Freuen Sie sich schon auf Rezepte für nächste Woche: Spaghetti cabeloni, Kaboffel-Gratin mit PU-Bauschaum überbacken oder treudeutsch Kaboffelsalat.