Ode an die Kuh

von th

Möchte ich im Weserbergland eine Kuh sehen, fahr ich nach Edeka hin und schau mir die Milchverpackungen an. Da ist immer eine Kuh mit grünen Wiesen und Hügeln abgebildet. Leider nimmt das Zeichenvermögen von Mediengestaltern deutlich ab. Um eine Kuh zu zeichnen, benötigt man heute eine KI, eine Kuh-Intelligenz, die jungen Verpackungs-Gestaltern nicht mehr gegeben scheint.

Kühe wirken schon beim realen Anblick sehr beruhigend, wenn sie einen alten, grünen Gummistiefel oder eine Plastiktüte stundenlang wiederkäuen. Heraus kommt dann ein, mit Polyehtylen angereicherter, Kuhfladen, früher eine Kita für die Biodiversität der Insekten. Mit getrockneten Fladen kann man auch den Ofen anheizen oder Wiesenchampignons züchten. Seit Jahrzehnten habe ich schon keinen Kuhfladen mehr gesehen, sie werden auf Milchtüten nicht abgebildet.

Ein Leben ohne Kuhmöpse wäre denkbar, aber sinnlos. Es geht uns um die Milch: 20 Liter Milchleistung am Tag sind heute Standard, Bella war mit 10 Litern der Champignon im Stall von Onkel Kalle in den Siebzigern. (Stall, Bella, Kalle).

Damit Kühe Milch geben, müssen sie einer Dauerschwangerschaft erliegen, jedes Jahr ein Kälbchen gebären. Kälbchen werden nur 22 Wochen alt, dann gibt es sie bei Edeka „Gut und Günstig“ im Sonderangebot.

Einmal war ich nachts um drei bei einer Geburt dabei. Erst steckten nur die Hinterläufe aus der Mama-Kuh heraus, darum wurde ein Strick gebunden und das Kälbchen von drei starken Männern auf die Welt gezogen, einer davon war womöglich ich. Ich durfte dann das Kälbchen mit Milchpulver, in lauwarmen Wasser aufgelöst, größer ziehen. Kälbchen saugen notfalls gern an milchlosen Fingern, was ich immer sehr lustig fand.

Um ein Kälbchen zu gebären, bedarf es einem Stier, der aufreitet. Als Schüler der Volksschule Westerndorf St. Peter besuchten wir mal einen Bauern und durften ihn streicheln, also den Stier. Der Stier hatte gewaltige Ausmaße, war sehr freundlich und modern: er trug ein Nasen-Piercing. Vielleicht war er ja Divers.

Heute werden Kühe mit einer Art Gummipümpel aus einem Flensburger Versandhandel vom Tierarzt befruchtet – darin befinden sich ganz, ganz viele, kleine Kälbchen.

Über „Rindfleisch in Rotwein“, Rouladen oder vegane Rinder-Brühe lasse ich mich nicht aus.

Ziel meines Geschreibsels ist, wie immer, eher der Käse. Er hat eine eigene Ode verdient.

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