Ode an die Stille

von th (Kommentare: 0)

Selbst Kurt Tucholski verlautbarte in grauer Urzeit:
"Es gibt vielerlei Lärmerei, aber nur eine Stille".

Bereits mit dem Urknall war es vorbei damit. Noch heute soll ein Echo des Knalls für empfindliche Ohren im Universum vernehmbar sein. Nur 14 Milliarden Jahre später wurde der Rasenmäher erfunden. Sollten wir von einer außerirdischen Intelligenz abgehorcht werden, bekommt diese momentan Ohrenschmerzen. Da hilft Kitschimea-Reizohr oder Petersilie.

Manche Menschen sollen sogar das Gras wachsen hören, da hilft nichts mehr.

Ein Freund meiner berichtete von einem Aufenhalt in der Sahara: " Die absolute Stille, ja Todesstille, ist unglaublich." Der Sand der Wüste verschluckt jedwede Reflektion eines Geräusches, selbst der Pups einer Wüstenspringmaus verebbt im Sand.
Ähnlich erlebt habe ich das vor etlichen Jahren, als es noch Schnee gab, mit meinem Kater Siemens auf einem nächtlichen Waldspaziergang. Etwa 30 cm Pulverschnee hatten eine Decke über den Wald gelegt, es war mucksmäuschen still: Absolute Stille, Stille Nacht.
Siemens, obwohl schwarz, tauchte nur alle 10 m aus dem Schnee auf, kraxelte zwecks Orientierung an einem Baumstamm hoch, verschwand wieder in der weißen Pracht und hatte eine Menge Spass.

Stille und Ruhe sind nah beieinander, fast wie Mann und Frau. Eva soll aber nur aus einer überzähligen Rippe des Mannes erschaffen worden sein. Das kann so nicht stimmen. Da hatte Adam sicherlich noch zwei Ohren und einen hübschen Mund über.
Treffen zwei Frauen im Ü-42 Alter aufeinander wird es unruhig und munter. Ich begebe mich dann lieber in ein Parallel-Universum. Männer werden ja altersbedingt immer schweigsamer, weshalb ich jüngst Olaf Scholz gewählt habe. Auch Frauen können, wenn auch nur selten, durchaus schweigsam sein, das nennt man dann die "Ruhe vor dem Sturm". Bevor der Sturm losbricht, sollte man sein Hörgerät bereits beseite gelegt haben. Ich schau mir dann einen Stummfilm, gezeichnete Cartoons an und flüstere mit meinen Katzen. Mal ausprobieren: Katzen lieben es wirklich, wenn man ganz leise mit ihnen wispert, und fangen sofort an zu schnurren. Dann ist es zwar mit der absoluten Stille vorbei, aber angenehm. Silvester können Katzen gar nicht leiden. Sie bekommen davon Tinitussi.

In jüngeren Jahren hielt ich schulpflichtig ein Referat über die Futuristen (Kunst-Leistungskurs!).

Die Futuristen waren eine italienische Künstlergruppe, die in Manifesten die Moderne beschwörten:
Aufbruch, Veränderung, Geschwindigkeit und somit auch das Automobil, das sie vergötterten. Eigentlich ging es ihnen wohl um eine neue Bildsprache in der Kunst - raus aus alten Konventionen verstaubter Ölschinken. Braque und Picasso ergründeten in den 1910er den Kubismus, das Bild als eine abstrahierte, zerstückelte zweidimensionale Welt aus vielen Facetten. Die Futuristen machten eigentlich das Gleiche, suchten aber eine eigene, italienische Identität.
"La strada entra nella casa" (die Straße dringt ins Haus, eher der Lärm), 1911 von Umberto Boccioni gemalt, kann man sich im Sprengelmuseum Hannover im Orginal in Ruhe anschauen. Warum hängt das nicht in Mailand, Neapel oder Rom, der Heimat knatternder Vespa-Roller ?

Zurück auf den beschaulichen Basberg: Mein Nachbar fährt einen Vespa-Roller, der Lärm der Kernstadt dringt herauf, Regine macht jetzt den Fernseher an. Zeit in ein Paralell-Universum auszuweichen.

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